PRIVILEGIERTE SCHÜTZENGILDE
ZU STENDAL VON 1483 e.V.

AUS ALTER WURZEL - NEUE KRAFT

Geschichte und Tradition

Geschichtliches zum Schützenwesen


Schützen-Gilde Stendal – Historischer Abriss

Jahrhundertelang haben jährlich zu Pfingsten in Stendal Schützenfeste stattgefunden, die als Volksfeste zu den Höhepunkten innerhalb der Stadt zählten. Das letzte Schützenfest ist im Jahre 1939 abgehalten worden, auf dem als letzter Schützenkönig der Malermeister Ferdinand Lenz aus Stendal die seit Jahrhunderten überlieferte Schützen-oder Königskette trug. Ein im Altmärkischen Museum bewahrtes Foto erinnert daran, und sicherlich ist dieses Ereignis auch einigen älteren Bürgern Stendals noch im Gedächtnis.

Das Altmärkische Museum und das Stadtarchiv Stendal haben viele Dokumente, darunter auch die Königskette mit dem silbernen Vogel aus dem Jahre 1580 bewahrt. Vieles ist unwiederbringlich verloren, aber mit Sicherheit werden noch Dokumente in jenen Familien bewahrt, deren Vorfahren der Schützengilde angehörten. So sind gerade in letzter Zeit Materialien dem Altmärkischen Museum übergeben worden, die zur Erhellung der Geschichte der Gilde beigetragen haben.

Bis zum Jahre 1939 haben in Stendal, unterbrochen durch den 1.Weltkrieg bis zum Jahre 1924, nachweislich seit 1698 jährlich zu Pfingsten Schützenfeste stattgefunden. Die Geschichte dieser alten Gilde kann aber in viel ältere Zeit zurückverfolgt werden.

Weit zurück reicht die Tradition, "auf den Vogel" zu schießen. Das Vogelschießen ist kultischen Ursprungs und steht symbolhaft für die jährliche Erneuerung der Natur. Ein vorchristlicher Vogelmythos ist im gesamten europäischen Raum erkennbar und lässt sich anhand kleiner Vogel-Broschen, darunter eine Papageien-Fibel, auch in der Altmark belegen.

Miniaturen in Evangelien, Psaltern und Liederbüchern des Hochmittelalters überliefern die Sitte des Vogelschießens. Die Nachtigall und seit dem 13.Jahrhundert der Papagei, dienten als Schützenvogel. Ein kleiner, archaisch wirkender Papagei ist das älteste aus dem 14.Jahrhundert stammende Stück an der Schützenkette der Stendaler Gilde. Diese kleine silberne Hohlfigur ist Symbolträger für die im Mittelalter übliche Taube oder bzw. den Papagei aus Holz, die, auf einer Stange befestigt, mit der Armbrust abgeschossen wurden.

Die Gilden, eine Kultur-und Schutzgemeinschaft freier Bürger (Männer) gehen in vorchristliche Zeit zurück. Die Mitglieder waren verbunden durch Riten, Prüfungen und einen abgelegten Eid, durch Teilnahme an Festen und kultischen Gelagen sowie an Leichen- und Gedächtnisfeiern. In den Städten organisierten sich seit dem 13.Jahrhundert die freien Bürger in wirtschaftlich politisch orientierten Bruderschaften. Die Kaufmanns- oder Gewandschneidergilde ist die älteste der Gilden, zu der sich, auch in Stendal, die alte Stadtgilde, das heißt, die mit erblichem Besitz ausgestatteten Großbürger sowie die Kaufleute und Gewandschneider zusammenschlossen. Bereits 1231 erhielt, die Gewandschneidergilde von den askanischen Markgrafen ihre Privilegien.

Die Schützengilde, hervorgegangen aus der für die Selbstverteidigung der befestigten Stadt notwendigen Bürgerwehr, ist auch in Stendal älter als deren urkundliche Ersterwähnung von 1483. Die Armbrustschützen bildeten den bedeutendsten, wichtigsten Teil innerhalb der Bürgerwehr. Die Schützen werden in Stendal erstmals 1305 genannt, als sich die Bürger der Stadt vom Markgrafen die Befreiung von der Heeresfolge außerhalb der Mark Stendal (jenseits von Elbe, Ohre, Biese) erkauften. Es brauchten weder Schützen gestellt noch Wagendienste geleistet zu werden.

1351 trat Klaus von Bismarck als Hauptmann der Armbrustschützen in die Dienste der Stendaler Bürgerwehr. Nach dem Aussterben der askanischen Dynastie und durch die daraus folgende Ungewissheit, wer in der Mark Brandenburg der Herr sei, herrschten Faustrecht, Fehden und Brandschatzungen. Schutz und Verteidigung der Stadt waren unbedingt erforderlich.

Mit dem Kaufbrief vom 26.Februar 1483 wird die Existenz der "Schutzen Kompanye Zu Stendall" erstmals urkundlich bezeugt. Die vier namentlich genannten Vorsteher der Gilde kauften in Ostheeren eine jährliche Getreidehebung von 1 Wispel Roggen - zu jener Zeit eine äußerst zweckmäßige Kapitalanlage.

Über das Schützenschießen im mittelalterlichen Stendal gibt es keine Überlieferung. Die Würde des Schützenkönigs ist aber so alt wie die Gilde. So wird in Frankfurt / Oder 1406 ein König der Pfeilschützen (Rex Sagittariorum) genannt. In der Mark Brandenburg scheint im Mittelalter ausschließlich die Armbrust beim Schützenschießen Verwendung gefunden zu haben, obwohl seit 1445 die Büchse zum Kriegsgebrauch üblich war. In dem kurfürstlichen Privileg von 1698, das der "Schützen-Compagnie" in Stendal ausgestellt wurde, ist festgelegt, dass jährlich am Mittwoch nach Pfingsten mit der Büchse nach der Scheibe geschossen werden soll.

Die "Schützen-Compagnie" verfolgte außer den üblichen Waffenübungen auch wohltätige Zwecke. In den Aufzeichnungen der Kirchenvisitationen zur Durchführung der Reformation in der Altmark des Jahres 1540 sind Angaben zum Vermögen der "St.Sebastians oder Schützen-Compagnie" enthalten. Es wird ein Vermögen von 191 Mark angegeben und darauf verwiesen, dass jeden Donnerstag an vierzehn Arme eine Spende von sechs Pfennigen pro Person gezahlt wird.

Über die Organisation der Gilde im 16.Jh. ist nichts zu erfahren. Der Brauch des Vogelschießens scheint aber weiterhin gepflegt worden zu sein, wie der silberne Vogel, das älteste datierte Stück an der im Altmärkischen Museum bewahrten Königskette, beweist. Die mit der Jahreszahl 1580 gravierte silber-vergoldete Taube ist jahrhundertelang als Wahrzeichen der Schützengilde an der Königskette getragen worden. Bekmann bestätigt 1753 in der "Beschreibung der Chur und Mark Brandenburg" diese Tatsache.

Der 30jährige Krieg bewirkte den totalen Niedergang der Schützengilde.

Am 28.Mai 1698 ist durch Kurfürst Friedrich III, den späteren König Friedrich I. in Preußen, die "Schützen-Compagnie", eine "verfallen uralte Gilde" auf Antrag des Magistrats und der Bürgerschaft der Stadt erneut privilegiert worden. Ausdrücklich wird bestätigt, dass "vor dem 30 jährigen Krieg", eine gewisse, von unseren Herren Vorfahren privilegierte Schützen-Compagnie bestanden hat. In den vom Kurfürsten bestätigten Statuten ist festgelegt, dass nur die in Stendal geborenen und hier ansässigen und mit Bürgerrecht ausgestatteten Männer in die Gilde aufzunehmen sind. Fremde haben ihre "untadelhafte Geburt" durch ein gerichtliches Attest zu bescheinigen. Die Höhe des Jahresbeitrages wird mit 4 Groschen festgelegt, nachdem sich das Mitglied mit 4 Thalern die Mitgliedschaft erworben hat. Der Vorstand, bestehend aus 3 Gildemeistern und 2 Schaffnern, ward jährlich gewählt und diese mussten des Lesens und Schreibens kundig sein.

Besondere Festlegungen werden zu dem jährlich auf Mittwoch nach Pfingsten festgelegten Königsschießen getroffen. "Präzise 9 Uhr" versammelte man sich auf dem Schützenplatz, wo mit dem Gewehr nach der Scheibe geschossen wurde. Der Schützenkönig wird "mit rührendem Spiel und den gewöhnlichen Zierrath" nach Hause geleitet. Diese Festlegungen sind Jahrhunderte hindurch befolgt worden. Zum Schießen als sportliche Betätigung gehörte die sich anschließende Feier mit der Ausgabe von "FreyBier". Das Trinken solle "aber mit geziemender Mäßigkeit und ohne alle Schwelgerey geschehen" denn, "welcher sich Besäufet, zum Schießen nicht weiter soll admittieret werden." Es wird darauf hingewiesen, wie notwendig der Bau eines Schützenhauses sei. Durch das auf Donnerstag nach Pfingsten festgelegte Gewinn-oder Preisschießen kam Geld in die Gildekasse. In dem erhaltenen Protokollbuch werden für das Jahr 1698 22 Mitglieder notiert, die sich mit 4 Thalern in die "löbliche Schützengilde eingekauft" haben.

In das Gründungsjahr der Gilde gehört ein silber- vergoldetes Schild, das älteste an der Stendaler Königskette. Die Schauseite trägt das Wappen der von Üchtritz: zwei gekreuzte Schlüssel auf dem Wappenschild unter einem gekrönten Helm mit zwei Hörnern. Die Rückseite trägt die Inschrift: CURD GOTFRIED VON ÜCHTRITZ, CHURFÜRSTL. BRANDENB. GEHEIMER RATH UND LANDESHAUPTMANN DER ALTEMARCK, AUF OSTERHOLZ UND RAUENTHAL ERBHERR. ANNO 1698.

Im Jahre 1798 und 1898 hat sich die Schützen-Gilde auf die Privilegierung durch den Kurfürsten berufen und besonders 1898, ein großes Jubiläumsfest veranstaltet.

Die Ereignisse der März-Revolution 1848 bewirkten auch in Stendal Unruhen, so dass nicht nur eine 200 Mann starke Bürgerwehr gebildet wurde, sondern auch die Schützengilde 70 Mann für eine Schutzwehr stellte.

Gleichfalls im März 1848 wurde, nachdem seit 1810 ein grüner Jägerrock als Uniform getragen worden war, der 1833 durch einen schwarzen Leibrock ersetzt wurde, das Statut von 1840 durch einen Beschluss verändert: die Gilde-Mitglieder trugen den grünen Rock mit schwarzem Samtkragen und Aufschlägen. Unverändert ist diese Kleiderordnung bis 1939 beibehalten worden, wie das Foto des letzten Schützen-Königs, Ferdinand Lenz, zeigt.

Die Fahnenweihe im August 1851 der altmärkisch-preußischen (schwarz-weiß) Fahne, ein Geschenk Bürgermeisters Frommhagen, war verbunden mit der Stiftung einer Medaille, die die Teilnehmer bei allen Feierlichkeiten zu tragen berechtigt waren. Als weitere Höhe der nächsten Jahre ist die Teilnahme an der silbernen Hochzeit des Prinzen Carl von Preußen zu nennen, anlässlich derer Kommandeur Stendal und Adjutant und Kommandeur Hauptmann Eberschulz die Glückwunschadresse überbrachten. Im Jahr darauf, 1853, wird der Veteran der Freiheitskriege, Kommandeur des Stendaler Landwegrbatai1 Ions, Major von Kajdatzy, Ehrenmitglied der Gilde.

Nationalbewusstsein, Patriotismus, zunehmend auch die Hebung der Wehrfähigkeit und auch, wie im Statut von 1881 formuliert wurde, die Liebe zum königlichen Herrscherhaus sowie auch die Sorge für die Sicherheit der Stadt legen inhaltlich die Ziele für die nächsten Jahrzehnte fest. Geburtstage, Vermählungen im Herrscherhaus, nationale Feiertage, Denkmalenthüllungen, Jubiläen der Gilde- Mitglieder boten neben dem jährlich stattfindenden Schützenfest ausreichende Möglichkeiten, im "Hölzchen" oder auf dem Schützenplatz Tage der Festlichkeit und Geselligkeit zu veranstalten. Die Schützenfeste wurden zu Höhepunkten, zu den beliebtesten Volksfesten in der Stadt.

Gemeinsam mit dem Verschönerungs- Verein und der allgemeinen Liedertafel, die sich von deren Mitgliedern sich alte Fotografien im Altmärkischen Museum befinden, hat bei Festen und Denkmalenthüllungen, wie 1859 bei der Enthüllung des Winckelmann- Denkmals, die Schützen- Gilde zum Festprogramm- Ablauf ihren Beitrag geleistet. Schriftliche Quellen im Stadtarchiv sowie die Nachrichten des Intelligenz- und Leseblattes berichten vom 1. nationalen Schützenfest in Köln, auf dem die Schützen- Gilde vertreten war 1860, vom Festakt anlässlich des Geburtstages König Wilhelm I. im März 1861.

1862 wird dem Antrag verschiedener Stendaler Bürger entsprochen, sie als II. Kompagnie, mit schwarzem Frack und hohem Hut, in die Gilde aufzunehmen und diese an den Aufmärschen zu Pfingsten teilnehmen zu lassen.

Stolz erfüllt die Gildemitglieder, als 1863 der Kronprinz und dessen Gemahlin im "Schwarzen Adler" Quartier nahmen und den Dom besichtigten. Die Gilde hatte die Ehrenposten zu stellen. Von Nationalbewusstsein getragen wurde im gleichen Jahr das Festschießen anlässlich der "50 jährigen Jubelfeier der Erhebung Preußens vom französischen Joch" ausgetragen.


Zwischen 1864 bis 1870 stellte die Schützengilde die Räume des Schützenhauses als Reservelazarett zur Verfügung. Wegen der Kriegsereignisse musste der Pfingstball 1865 ausfallen. Königsschießen und Festschießen mit Festessen und großer Ball wurden im November anlässlich der Friedensfestfeier nachgeholt.

1871 wurden das heimkehrende Landwehrbataillon durch die in Paradeuniform festlich gekleideten Gilde- Mitglieder feierlich begrüßt. Da das Schützenhaus mit Verwundeten belegt war, wurde das Festschießen zu Ehren des Geburtstages des Königs im "Hölzchen" durchgeführt.

1873 wurde der ebenfalls bis zum Beginn des 2.Weltkrieges existierende "Turner- Schützenverein" am Bierkeller gegründet, dessen ältere Unterlagen in Stadtarchiv bewahrt werden.

Seit 1875 liegen Programme mit den Mitglieder- Verzeichnissen vor, die uns Einblicke in den Festtags- Ablauf und in die Mitgliederzusammensetzung während der Jahrzehnte bis zum 1. Weltkrieg gestatten.

Nach festlich begangenem 100 jährigen Jubiläum im Jahre 1798 sah sich die Schützengilde aus finanziellen Gründen gezwungen, im Jahre 1800 das Schützenhaus zu verpachten. Wenig später, 1803, zahlte sich Generalmajor von Tschammer als Rekrut in die Schützengilde ein. Bedingt durch das Kriegsgeschehen mussten die Stadt und auch die Gilde 1806 bis 1813 Kriegskontributionen zahlen. Zusätzlich war die Gilde mit Zahlungen für Schanzarbeiten in Storkau und Grieben belastet worden, hat aber für Pulver neun Groschen für die Siegesfest 1813 entnehmen können.

Viele ehemalige Freiwillige des Befreiungskrieges traten ab 1814 der Gilde bei, darunter B. Heinau und Major Kajdatzy.

Patriotismus und Verehrung des königlichen Herrscherhauses bestimmten mehr als vorher inhaltlich den bürgerlichen Schützenverein. "Schießen und geselliges Vergnügen" steht unter den ersten Paragraphen des neuen Statuts, als König Fridrich Wilhelm III der Gilde ihre alten Korporationsrechte bestätigte. Dienstjubiläen und Geburtstage der Gilde- Mitglieder und der des Herrscherhauses sind der hauptsächlichste Anlass für zusätzliche Festlichkeiten.

Wichtig bis heute ist für Stendal die Enthüllung des Denkmals für den im Jahre 1809 auf dem Schützenwall erschossenen Josef Manns. Die Denkmalserrichtung geht auf einen Aufruf der Gilde zurück, deren Vorstandmitglieder Stendel und Koppehl die Festveranstaltung zur Enthüllung am Geburtstag des Königs, am 3.8.1835, leiteten. Ein Gedenkblatt im Altmärkischen Intelligenz- und Leseblatt erinnert an die Enthüllung des Denkmals, würdigt den heldenhaften Tod Josef Manns und beschreibt die Festveranstaltung zu Ehren des Geburtstages des Königs. Das Denkmal befindet sich heute auf dem Hof der Diesterweg- Schule.

Als Prinz Carl von Preußen 1837 die altmärkischen Landwehrbatalllone inspizierte, begrüßte er auch die Stendaler Schützengilde und wurde deren Ehrenmitglied. Jahrzehntelang hat die Gilde enge Verbindung mit Prinz Carl gepflegt, dessen Namen in Karl- und Prinzen- Straße weiterlebt.

Ein alter Druck gibt das "Stendalsche Schützenlied" von 1838 wieder, als der neu erbaute Saal auf dem Schützenwall eingeweiht wurde:

"Es lebe, was in Stendal
Als wackrer Schütze lebt.
Ihm singen wir und klingen,
Dass rings der Wall erbebt.
Wie lustig ist`s zu Pfingsten,
Wenn Jubel rings erschallt,
Wenn Jung und Alt sich freuet,
Wenn’s blitzt und dampft und knallt"

"Feste von hervorragender Bedeutung" wurden 1876 begangen, die 50 jährige Jubelfeier des Vorstandmitglieds L. Grundmann und die Enthüllung des Kriegerdenkmals. Bedeutsam für die Gilde, war, dass im gleichen Jahr Fürst Otto von Bismarck, der Ehrenbürger Stendals, die ihm angetragene Ehrenmitgliedschaft in der Gilde annahm.

Ein monumentales, dem Zeitgeschmack entsprechendes Ovationsbild, hat die Gilde zum 80. Geburtstag Ottos von Bismarck zum 1.4.1895 anfertigen lassen. Das Intelligenz- und Leseblatt veröffentlichte eine umfassende Beschreibung der auf dem Bild festgehaltenen Details, wie Orden, Schützenscheiben und Fahnen. Die gesamte Gilde unter ihrem Kommandeur L.C.Kramer, Tischlermeister, stellt sich vor. Die uns überlieferten Namen der Mitglieder lassen sich den Fotos nicht mehr zuordnen, Fahnen und Schützenscheiben sind verloren gegangen.

1898 feierte die privilegierte Schützengesellschaft voller Stolz 200jähriges Jubiläum, gedachte ihrer Privilegierung durch den Kurfürsten Friedrich III im Jahre 1698. L.C.Kramer gab eine Festschrift heraus, die Zeitung veröffentlichte den Ablauf der Jubelfeier. Ergänzt werden die Schilderungen dieser glänzenden Feier, zu deren Anlass eine Fahne und ein goldener Fahnennagel gestiftet wurde, durch ein Foto, auf dem die Versammlung der Festteilnehmer auf dem Marktplatz festgehalten worden ist.

Besondere Bedeutung hat die 100 jährige Wiederkehr des Todestages Josef Manns am 15.4.1909. Die Josef Manns-Medaille wurde von "Spediteur Bohne erschossen". Rudolf von Rundstedts Gedicht "Das Kreuz auf dem Schützenwall" kann im Intelligenz- und Leseblatt nachgelesen werden.

Ein Jahr vor Beginn des 1.Weltkrieges veranstalteten die Schützengilde, die Bürgerschützen und die Feuerwehr zu Ehren des 70.Geburtstages L.C.Kramers einen Fackelzug mit Musik. Dann wurde die Vereinstätigkeit durch die Kriegsjahre unterbrochen. Seit 1919 haben wieder jährlich Schützenfeste stattgefunden und wir erfahren die Kamen der Könige von den silbernen Königsschilden. Schriftliche Nachrichten aus dieser Zeit sind nicht erhalten und die Zeitungsnotizen sind äußerst sparsam.

Von älteren Bürgern Stendal wäre sicherlich noch so manches Wissenswertes über die bis 1939 abgehaltenen Schützenfeste zu erfahren, an denen ganz Stendal mit Begeisterung teilnahm. Fritz Bluhme war 1935 König, Otto Maibaum 1936, Oskar Roever 1937, Albert Keller 1938.

Malermeister Ferdinand Lenz war der letzte Schützenkönig im Jahre 1939 und hat die alte wertvolle Schützenkette der privilegierten Schützengilde mit dem silbernen Vogel über Jahrzehnte bewahrt.

1962 hat er diesen Schatz dem Altmärkischen Museum übergeben.

Quelle: W. Krause-Kleint, Altmärkisches Museum Stendal



Auszug aus der

"Festschrift von 1898 zur Jubelfeier an die Erinnerung der vor 200 Jahren erfolgten Wiederherstellung durch Kurfürst Friedrich III"



In seiner Geschichte des deutschen Schützenwesens führt Edelmann die Entstehung der Schützenbruderschaften und Schützengilden auf die Tätigkeit der Mönchsorden zu Anfang des 13. Jahrhunderts zurück, da sich früher keinerlei Spuren über das Bestehen derartiger Vereinigungen finden.

Bis dahin waren immer noch der Wurfspieß, der alte Bogen und die Schleuder die einzigen Angriffswaffen. Die Armrust, Armbrost, auch Armbrust, Armbst und Armst genannt, kam nach Angabe der griechischen Kaisertochter Anna Commena (1083—1148) zuerst während des ersten Kreuzzuges (1096—1099) in Gebrauch und gelangte im 12. und 13. Jahrhundert unter den deutschen Städtebürgern zu immer weiterer Verbreitung. Welchen Einfluss gerade diese Schusswaffe, die besonders in den Schützenbrüderschaften, auch St. Sebastiansbrüderschaften genannt, der Städte immer mehr vervollkommnet wurde, auf die Wehrhaftigkeit der Städtebürger ausübte, geht wohl daraus hervor, dass die erbittertsten Feinde der Städte und ihrer Bürger vom geistlichen und weltlichen Herrenthum sich um deren Beseitigung flehentlich an das Oberhaupt der Kirche wandten, die ärmst zu verwünschen, worauf das 10. und 12. ökumenische Concil 1139 und 1215 den Gebrauch nur noch gegen die Ungläubigen gestatten wollte, und allen Geistlichen verbot, mit "räuberischen Söldnerbanden, mit Stahl- und Armbrustschützen und dergleichen Blutmenschen kirchlich zu verkehren."

Dessen ungeachtet fuhren die gewerbetreibenden Bürger der Städte fort, sich gegen alle ihre Feinde vorzüglich mit der Armbrust zu bewaffnen und vorteilhaft zu wehren, sodass die Zunftbrüder der ältesten Städte sich überall als meisterhafte Armbrustschützen hervortaten, woraus nachher um so leichter ausgezeichnete Feuergewehrschützen wurden.

Wenn auch amtliche Urkunden aus jener Zeit über das Bestehen einer derartigen Gilde hierorts nicht zu ermitteln waren, so ist nach der voraufgeführten Sachlage doch mit Bestimmtheit anzunehmen, dass auch hier schon damals eine derartige Brüderschaft bestand und nicht zum wenigsten zur Wehrhaftigkeit der hiesigen Bürgerschaft beigetragen hat, wodurch es unserer alten Stadt Stendal gelang, nicht nur ihre hervorragende Bedeutung unter den Städten der Mark zu erringen, sondern diese auch bis zum 30jährigen Kriege zu erhalten.

Die erste amtliche Auskunft über das Bestehen der hiesigen Schützengilde erhalten wir, obgleich dieselbe auch in Satz 9 des Allerhöchsten Privilegiums vom 28. Mai 1698 als "Uhralte Gilde" bezeichnet wird, erst durch folgende im Original im Königlichen geheimen Staatsarchiv zu Berlin befindliche Urkunde vom 26. Februar 1483:

"Mein gnediger Herr Marggrave Johanns etc. Hat Cone Maasen vergonnet, das er Hanssen Garlippe, Ludwich Moringk, Haussen Wrede und Hanssen Schönhussen als Schaffern oder vorstendern der schutzen kumpanye Zu Stendall oder Iren nachkommen, eynen Wispell roggen Inn und vf seinem Hoff Zu Osteheren vor Zweinzig Stendlische mark vf einen widerkauf nach Inhalt des Kaufbriues verkauffen mag, Doch das er oder sein erben den, so ersten si kennen oder mogen den wider ablohsen. Actum Coln an der Sprew, am mitwochen nach Reminissere, Anno etc. LXXXIII."

Hierdurch dürfte bestätigt werden, dass die Schützengilde damaliger Zeit außer der Waffenübung auch kirchliche, besonders wohltätige Zwecke verfolgte, da diese Vergünstigung wohl kaum, wie Götze in der Geschichte der Stadt Stendal behauptet, als günstige Capitalanlage verliehen sein dürfte. Worauf jener daselbst die weitere Behauptung stützt, dass das Vermögen der Gilde im Jahre 1540 191 Mark betrug mit einem jährlichen Ertrage von 9 1/2 Mark in Geld und 1/2 Wispel Roggen, sowie dass alle Donnerstag an 14 Arme je 6 Pfennig gezahlt werde, hat sich bisher nicht ermitteln lassen, jedoch ist der an jener Stelle ebenfalls erwähnte silberne Vogel aus dem Jahre 1580 noch heute vorhanden. Dass, wie dort ferner erwähnt wird, die Schützengilde zu Anfang des 18. Jahrhunderts in Verfall geraten sei, dürfte nicht nur durch die noch vorhandene Stammrolle, sondern auch durch nachstehende amtliche Dokumente widerlegt werden